Was geht in Musks Kopf vor?

Published on 9 October 2022 at 10:31

Am Montag setzte Elon Musk zwei Friedenspläne in die Welt – einen für die Ukraine und den anderen für Twitter. Bei der Ukraine brachte er dessen Präsidenten und die halbe westliche Welt gegen sich auf. Bei Twitter ist die Sache einfacher. Auf den ersten Blick zumindest. Musk will – Paukenschlag – den Kurznachrichtendienst nun doch zu den ursprünglichen Bedingungen kaufen und dafür 44 Milliarden Dollar hinblättern, sofern Twitter seine Klage fallen lässt und ihm damit ein Gerichtsverfahren erspart.

In zwei Wochen sollte der Wirtschaftsprozess des Jahres beginnen.

Was geht in Musks Kopf vor? Haben ihn seine Anwälte und Vertraute überzeugt, dass er den Prozess verlieren wird? Schon jetzt sind Musks Freunde und Geschäftspartner sauer, dass bei der Beweisaufnahme ihre persönliche Korrespondenz ans Licht der Welt gezerrt wird und sie für Befragungen zur Verfügung stehen müssen. Dabei wurde unter anderem bekannt, dass Springer-Chef Mathias Döpfner Musk eilfertig die Verwaltung und den Betrieb von Twitter angetragen hatte, samt Aktionsplan.
Oder hat Musk einfach wieder Interesse an Twitter gefunden und an dessen Funktion als Sprachrohr für sich und den Rest der Welt? Wie damals im April, als er Twitter retten wollte? Musk, der keine Niederlagen eingestehen kann, wird Letzteres in Anspruch nehmen. Musk hielt sich am Dienstag zurück. „Der Kauf von Twitter beschleunigt die Kreation von X, der App für alles“, twitterte er.
Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass Prozesse durch außergerichtliche Einigung in letzter Minute vermieden werden. Aber normalerweise machen dann beide Seiten Zugeständnisse. Dass Musk nun die volle Summe zu den damals verhandelten Konditionen offeriert, überrascht.

Klar ist nur, dass sein neuestes Objekt in dem monatelangen Hick Hack mächtig Schaden genommen hat. Nicht nur wegen der Talente, die das Unternehmen seitdem verlassen haben.
Dass Twitter schon immer ein Problem mit gefälschten Konten hatte, war nicht nur allgemein bekannt. Sondern auch Kern von Musks Plan, um Twitter durch das Verifizieren seiner Nutzer neu aufzustellen und damit Glaubwürdigkeit zu verleihen. Musks Kampagne hat dazu geführt, dass Twitter nun in der Öffentlichkeit wie ein Zombie wirkt, der vorwiegend von Botnets betrieben wird. Wer kann dort noch guten Gewissens Werbung schalten, zumal der Wettbewerb groß ist und die drohende Rezession schon jetzt die Marketingbudgets zusammenschrumpfen lässt? Oder sich gar engagieren?

Ein Prozess hätte das noch viel schlimmer gemacht. Denn Musk Strategie schien die derzeitigen Manager und Gesellschafter von Twitter als Trickbetrüger hinzustellen, die dann wahrscheinlich den Werbekunden wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen auch noch Schadenersatz hätten leisten müssen. Twitter wäre erledigt gewesen und Musk hätte es vielleicht trotzdem kaufen müssen.

Derweil sind die Zweifel gewachsen, ob Musk mit seinen impulsiven Entscheidungen der Richtige ist, eine Plattform zu betreiben, die mit ihrer Meinungsmacht als Waffe eingesetzt wird.
Wie geht es nun mit Twitter weiter? Eine Idee ist, den Dienst als Stiftung zu organisieren, in der seine Nutzer über ihn regieren. Die Beteiligung von Nutzern ist ein Fundament des sogenannten Web 3.0. Aber beim Kapern von Kryptoplattformen durch Hacker hat das Modell bereits Schwächen gezeigt. Hinzu kommt, dass die 44 Milliarden Dollar nicht allein von Musk kommen, sondern auch anderen Geldgebern. Musk hat kein Geld zu verschenken. Und selbst wenn er wollte, könnte er das wegen seiner Finanzpartner nicht tun.
Twitter bleibt fürs Erste eine große Baustelle. Und darin liegt die Tragik der Geschichte. Denn Musk sollte sich eigentlich auf seine beiden Missionen konzentrieren, den Weg zu erneuerbaren Energien zu bereiten und den zur Besiedlung des Alls, falls die Erde unbewohnbar wird.

Stattdessen macht er sich mit Twitter nicht nur zur internationalen Zielscheibe für politische Grabenkämpfer, weil alle Entscheidungen immer auf ihn zurückfallen werden, selbst wenn er einen CEO einsetzen sollte.

Vor allem verzettelt er sich immer mehr. Bei Tesla will er mit Optimus in den Markt der Serviceroboter einsteigen.

Gleichzeitig liebäugelt er damit, seinen Supercomputer Dojo nach dem Vorbild von Amazon Web Services als Rechenkraft-Dienstleister aufzustellen. Und Tesla versucht sich auch noch als Minenbetreiber.

Teslas Elektroautos greifen jetzt nicht nur traditionelle Autohersteller, sondern auch aggressive Newcomer aus China an. Das allzu leichtfertige Versprechen vom autonomen Fahren für alle neueren Teslas ohne Nachrüstung könnte ihm noch Sammelklagen einbringen oder gar ein Verbot der Aufsichtsbehörden.

Add comment

Comments

There are no comments yet.